Rechte Netzwerke in Sicherheitsbehörden

Hintergrund

Marko G. war Administrator der rechten Prepper-Gruppe Nordkreuz, er hortete gestohlene Munition und Waffen. Heute gilt er als rechtsextrem. Als Marko G. noch als Polizist arbeitete, will all das niemandem aufgefallen sein – schon gar nicht, dass er Teil eines bundesweiten Netzwerkes ist. Wie kann es sein, dass ein Polizist rechtsextrem ist und Gleichgesinnte um sich scharrt – und niemand etwas davon mitbekommt?

Foto/Illustration zwei behelmter Polizisten von hinten

Als der Vorsitzende Richter das Urteil über Marko G. gesprochen hatte, applaudierten sie auf der Besucherempore. Der Angeklagte verließ das Gerichtsgebäude als freier Mann, draußen umarmten ihn Verwandte, Freund:innen, auch manche, mit denen er seine Pläne für den Tag X geschmiedet hatte. Waffen, Leichensäcke, geheime Rückzugsorte. Das Urteil lautete: Bewährungsstrafe, ein Jahr und neun Monate.

Ende 2019 verhandelte das Landgericht Schwerin gegen Marko G., einen Sportschützen und Schießtrainer aus Banzkow im westlichen Mecklenburg. Ermittler:innen hatten bei ihm zahlreiche Waffen und 55.000 Schuss Munition gefunden. Eine ganze Menge davon war legal, wenn auch nicht korrekt gelagert. Andere Waffen und Patronen hätte er nie besitzen dürfen, weil sie entweder unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen oder es sich um Behördenmunition handelt. Mehrere tausend Schuss haben die Ermittler:innen bei ihm sichergestellt, die von Polizeidienststellen aus der ganzen Bundesrepublik stammen, aus Beständen der Bundeswehr oder des Zolls. Bis heute ist nicht zweifelsfrei geklärt, wie Marko G. an die Munition gekommen ist – und zu welchem Zweck er sie hortete.

Der Fall Marko G. ist mehr als ein Prozess wegen eines Waffenrechtsverstoßes. Marko G. war Administrator einer sogenannten Preppergruppe, die sich auf den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung vorbereitete. Manche dieser Gruppe namens Nordkreuz sollen Feindeslisten mit Personen angelegt haben, die sie am Tag X umbringen wollten. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen zwei Männer. Es geht um Rechtsterror.

Als wäre dieser Verdacht nicht schon schlimm genug, sind die Gruppenmitglieder nicht irgendwer, sondern: Behördenmitarbeiter:innen, Reservisten, und: Polizisten. Marko G. hatte sogar eine besondere Aufgabe: Er war lange beim Spezialeinsatzkommando eingesetzt, als Präzisionsschütze. Es ist sein Job, für Sicherheit zu sorgen. Die Gesellschaft zu schützen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hält ihn heute für rechtsextrem.

Rechtsextreme Polizist:innen haben in den vergangenen Jahren in ganz unterschiedlicher Ausprägung für Schlagzeilen gesorgt. In Hessen haben sich zwischenzeitlich allein 60 Ermittler:innen damit beschäftigt, gegen Mitglieder rechtsextremer Polizei-Chatgruppen vorzugehen und vor allem den Urheber der “NSU 2.0”-Drohungen zu finden. In Nordrhein-Westfalen wird seit Herbst gegen fast 200 Personen aus den Reihen der Sicherheitsbehörden ermittelt, die in Chatgruppen rechtsextremistisches Gedankengut ausgetauscht haben sollen. In Sachsen gaben sich zwei SEK-Beamte den Tarnnamen “Uwe Böhnhardt”. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, auch wenn Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) nach wie vor kein strukturelles Problem erkennen will.

Nordkreuz ist inzwischen einer der bekanntesten Fälle. Parlamente untersuchen ihn, Ermittler:innen und Gerichte befassen sich damit. Ein Team der taz hat schon dazu recherchiert, als viele die Gruppe im Norden noch für unpolitische Prepper hielten. Denn Prepper sein, das ist nicht strafbar. Der Fall Nordkreuz eignet sich also, um die Frage zu stellen: Wie kann es sein, dass ein Polizist rechtsextrem ist und Gleichgesinnte um sich scharrt – und niemand bekommt etwas davon mit?

Nordkreuz

Nach außen gibt sich die Gruppe Nordkreuz harmlos. Der Name stammt von einer ihrer Chatgruppen. Andere hießen “Nord” oder auch “Vier gewinnt”. Fragt man ehemalige Mitglieder, erzählen sie von Krisenvorbereitungen. Stromausfälle seien damit gemeint oder – so sagen sie es selbst – der Zuzug vieler Geflüchteter. Sie legten zusammen, sechshundert Euro pro Person, darüber hatte Marko G. Buch geführt. Damit sollten Nahrungsvorräte gekauft werden und Munition. Sie übten Trinkwasseraufbereitung, warnten einander, wenn Impfstoff in einem Krankenhaus knapp wurde. Sie sind Prepper. Das ist nicht strafbar. Aber im Innern der Gruppe gab es andere Gedankenspiele.

Irgendwann Anfang 2016 trafen sich vier Männer an einem Landstraßen-Imbiss nahe Schwerin. Sie sprachen darüber, ob man nicht an Bundeswehr-LKWs kommen könnte, um dann, wenn der Tag X da sei, einfach Straßensperren zu überwinden. Es ist der engste Zirkel – der Kommandeur einer Reservistenkompanie, ein Goldhändler, ein Kriminalpolizist und der Präzisionsschütze vom SEK, Marko G. Denn sie fragten auch: Könnte man mit Bundeswehr-LKWs nicht auch Menschen abtransportieren? Das Wort „Endlösung“ soll gefallen sein. 

Genau durch solche Leute wird die Gruppe gefährlich. Polizisten sind darin und Reservisten, Menschen also, denen von Berufswegen aus anvertraut wurde, wie man kämpft. Es ist ihre Aufgabe, Sicherheit herzustellen. Aber Mitglieder der Gruppe Nordkreuz haben offenbar das Gegenteil vor. Auf einem Notizzettel war auch Löschkalk vermerkt. Und Leichensäcke.

Das große Netzwerk

Nordkreuz ist keine isolierte Gruppe, sondern eingebettet in ein größeres Netzwerk. Neben der norddeutschen Gruppe gibt es auch West, Ost und Süd. Ein Mann hält die Gruppen zusammen, er nennt sich Hannibal. Sein bürgerlicher Name ist André S. Er führt sogar einen offiziellen Verein, "Uniter", der sich in sein Netz einschmiegt, in Süddeutschland sogar mit der Preppergruppe verschmolzen ist. Auch im Norden gibt es Überschneidungen, wenn auch weniger stark.

Als André S. die Gruppen und den Verein gründet, ist er Soldat beim Kommando Spezialkräfte der Bundeswehr. Eine Eliteeinheit, deren Aufgabe auch ist, deutsche Geiseln im Ausland zu befreien oder Terror zu bekämpfen. Also auch hier: den Staat zu schützen. Doch André S. bereitet sich auf dessen Zusammenbruch vor. In einer internen E-Mail riet er etwa, sich auf „innere Unruhen“ oder „Krisen an den Grenzen“ vorzubereiten.

Überall in Deutschland scharrt er aktive und ehemalige Spezialkräfte aus der Bundeswehr und der Polizei, aber auch von anderen Sicherheitsbehörden um sich. Wir finden in dem Netzwerk: Weitere KSK-Soldaten, Fallschirmjäger, Bundespolizisten, SEK-Beamte, Verfassungsschützer, Inhaber privater Sicherheitsfirmen. Manche von ihnen sind sogar im Ausland unterwegs, sie posten Fotos von sich in Kampfuniform und schwer bewaffnet. Hannibal selbst spricht von „Shootern“, die er ausbilden will.

Um das zu erreichen, hat er mindestens einmal Zivilisten in Militärtaktiken trainiert. Videoaufnahmen und Gespräche mit Augenzeugen belegen, dass André S. als aktiver Soldat Mitgliedern seines Vereins "Uniter" zeigte, wie man ein Sturmgewehr hält und wie man sich als Trupp im Gelände bewegt, die Waffe im Anschlag.

In einer Sprachnachricht beschreibt André S., was er mit solchen Übungen bezweckt: „Es soll wirklich darum gehen, dass alle Mitglieder, die diese Blöcke machen, irgendwann so einen Stand haben, wenn die alles durchgemacht haben, dass man sagt, das sind gute Infanteristen, die kann man gut einsetzen, ob deutschlandweit oder sonst wo.“ Er führt nicht aus, in welchem Szenario es notwendig sein könnte, dass Infanteristen eines privaten Vereins bereit für den Kampfeinsatz sind.

Was sollte das auch für einer sein? Zumal in Deutschland, wo sogar der Einsatz der Bundeswehr im Innern politisch diskutiert wird. Inzwischen hat das Bundesamt für Verfassungsschutz "Uniter" als Verdachtsfall eingestuft – es sieht rechtsextremistische Anhaltspunkte, sowohl bei Mitgliedern als auch bei André S. selbst. Sie sollen mit nachrichtendienstlichen Mitteln überprüft werden.

Fehlende Aufklärung

Dieser Exkurs durch Deutschland soll zeigen, dass Marko G. und seine rund 30 Nordkreuz-Mitstreiter:innen nicht eine kleine, vereinzelte Gruppe mit rechtsextremistischen Tendenzen war. Stattdessen gab es solche Gruppen überall in Deutschland, manche virtuell vernetzt, manche trafen sich konspirativ und ohne die Namen der anderen zu kennen, wieder andere offen und für jede:n sichtbar, etwa auf Waffenmessen. Manche Verbindungen bestanden lose, andere sind mittlerweile gekappt.

Inzwischen beschäftigten Dutzende parlamentarische Anfragen zur Nordkreuz-Gruppe und dem Hannibal-Netzwerk die Bundesregierung. Landtagsabgeordnete fragten nach, die Chefs der Nachrichtendienste wurden in Ausschüsse und Gremien bestellt. Auch dort heißt es immer wieder: Es gebe Ermittlungen. Aber ein konspiratives Netzwerk mit dem Ziel, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen?

Erstaunlich wenig trug das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern zur Aufklärung bei. Über die Feindesliste der Terrorverdächtigen schreibt das Innenministerium einmal, das Sammeln von Informationen über Privatpersonen „im Bereich der politischen Auseinandersetzung, insbesondere im rechts- und linksextremistischen Bereich“ sei nicht unüblich und in der Regel auch nicht gefährlich. Zwei Jahre lang weigerte sich Innenminister Lorenz Caffier (CDU), die Menschen zu informieren, deren Namen auf der Liste stehen. Stattdessen richtete er im Herbst 2017 eine Prepperkommission ein, die herausfinden soll, ob Prepper gefährlich sind. Bis heute ist ihr Bericht nicht erschienen.

Fast zwei Jahre nach Auffliegen der Nordkreuz-Gruppe gilt Marko G. erstmals nicht mehr nur als Zeuge. Er muss im Sommer 2019 mehrere Monate lang in Untersuchungshaft. Ermittler:innen haben ihn erneut durchsucht, wie schon beim ersten Mal tausende Schuss Munition gefunden und dieses Mal auch die Uzi-Maschinenpistole. Sie war 1993 bei der Bundeswehr verschwunden.

Erstmals gerät nun auch das berufliche Umfeld von Marko G. ins Visier. Drei aktive und ehemalige SEKler sollen ihm geholfen haben, Munition abzuzweigen, mindestens seit 2012 schon. In Chats sollen die vier „rechtsextremistisches Gedankengut“ ausgetauscht haben. Zwei der vier sind ehemalige Fallschirmjäger. Ob auch sie direkten Kontakt zu Nordkreuz oder dem weiteren Hannibal-Netzwerk hatten, ist nicht bekannt.

Dieses Mal reagiert das Innenministerium, stellt die Männer außer Dienst und setzt eine Kommission ein, die aufarbeiten soll: Wieso gibt es eine rechtsextreme Gruppe inmitten des SEK? Und wie konnten sie unbemerkt an Polizeimunition kommen? Der Bericht enthält brisante Erkenntnisse. Landesinnenminister Caffier stuft ihn als geheime Verschlusssache ein. Kaum jemand darf ihn lesen, niemand darüber sprechen. Dabei schlüsselt die Kommission im Bericht detailliert auf, dass Marko G. schon früh rechtsextrem auffiel.

Es ist die Rede davon, dass Marko G. Bücher über die Wehrmacht und die SS zur Arbeit mitbrachte. Dass er T-Shirts mit einem Spruch trug, der „eindeutig sei“. Die Kommission schildert auch, dass sich mindestens zwei Polizisten mündlich und schriftlich an Vorgesetzte wandten und Marko G. als „rechts verankert“ beschrieben. Die Vorgesetzten unternahmen nichts. Das war 2009, Marko G. wurde damals für den gehobenen Dienst fortgebildet.

Sogar in der alten Bundeswehrakte von Marko G. stießen die Kommissionsmitglieder auf Auffälligkeiten: Sein „Interesse für die jüngere Militärgeschichte“ sei darin explizit vermerkt. Und noch etwas fällt der Kommission auf. Marko G. sei 1993 als Bundeswehrsoldat ausgerechnet bei der Einheit in Brandenburg eingesetzt gewesen, bei der jene Uzi verschwand, die 2019 in Marko G.s Arbeitszimmer wieder auftauchte. Die Bundeswehr möchte sich dazu nicht äußern, der Militärische Abschirmdienst (MAD) gibt an, nichts darüber zu wissen.

Die Rolle des Verfassungsschutzes

Der Fall Marko G. zeigt exemplarisch, wie wenig es Sicherheitsbehörden aufzuschrecken scheint, wenn sie auf Polizist:innen in rechtsextremistischen Zusammenhängen stoßen. Dabei hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die Männer in Mecklenburg-Vorpommern mit ihren Gedankenspielen zum Tag X bereits seit Ende 2016 beobachtet. Mit „erheblichen” nachrichtendienstlichen Mitteln, so nannte es ein leitender Verfassungsschutzmitarbeiter im Innenausschuss des Bundestages. Mindestens ein Mal informierte das Bundesamt das Landesamt für Verfassungsschutz über Nordkreuz. Die SEK-Kommission erfährt trotzdem: Das Landesamt verfügt über so gut wie keine eigenen Erkenntnisse.

Der Innenminister Lorenz Caffier hat auf den Bericht der Kommission reagiert. Unter anderem soll das SEK künftig nicht mehr dem LKA unterstellt sein, sondern der Bereitschaftspolizei. Auch zwei Führungspersonen wurden versetzt. Der LKA-Chef etwa. Er arbeitet nun beim Verfassungsschutz des Landes – im Fachbereich Rechtsextremismus. Lässt sich so der Blick auf rechtsextreme Vorfälle innerhalb der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern ändern?

Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes steht die bemerkenswerte Behauptung: „Die in diesem Zusammenhang von Innenminister Caffier eingesetzte unabhängige Expertenkommission zur Untersuchung der Spezialeinheiten der Landespolizei hat festgestellt, dass ein Generalverdacht gegen die Polizei des Landes im Hinblick auf rechtsextremistische Umtriebe unbegründet ist.“ Dann ist von „Einzelfällen“ die Rede. Nur trifft das gar nicht zu. Die SEK-Kommission hat gar nicht die gesamte Polizei in Mecklenburg-Vorpommern untersucht. Ihre Analyse kann also gar keinen Generalverdacht ausräumen.

Damit lenkt der Verfassungsschutzbericht davon ab, dass viele der bekannt gewordenen Fälle von rechtsextremen Polizisten miteinander zusammenhängen. Allein 13 Disziplinarverfahren laufen laut Innenministerium gegen Polizist:innen, die mit Marko G. gechattet haben – und dabei mutmaßlich rechtsextreme Inhalte austauschten.

Da ist etwa ein Wasserschutzpolizist aus Rostock, Sven J. Auf ihn stoßen Ermittler:innen, als sie Marko G.s Chatnachrichten durchsuchen. Sven J. ist Hubschrauberpilot, er war sogar für die europäische Grenzschutz-Agentur Frontex im Einsatz und bei einer EU-Polizeimission in Afghanistan. Dann fanden Ermittler:innen Waffen bei ihm und NS-Devotionalien. Und er hat eine weitere bemerkenswerte Verbindung: Sowohl er als auch ein weiterer Polizist aus Mecklenburg-Vorpommern sind mit dem sächsischen KSK-Soldaten Philipp Sch. bekannt, bei dem Ermittler:innen im Mai ein Waffenlager aushoben, eine AK-47 und tausende Patronen von der Bundeswehr fanden, kiloweise Plastiksprengstoff und auch NS-Devotionalien. Diese Informationen stammen aber nicht aus Mecklenburg-Vorpommern, sondern stehen in einem internen Bericht des Bundesverteidigungsministeriums an den Bundestag.

Der Minister-Rücktritt

Im März 2020 schickt die taz dem Schweriner Innenministerium unter anderem diese Frage: “Trifft es zu, dass Lorenz Caffier als Innenminister oder als Privatperson eine Waffe bei oder über Frank T. bzw. der Firma Baltic Shooters/Baltic Defence gekauft hat?”

Wenn Lorenz Caffier als Jäger eine Waffe bei einem lizenzierten Händler kauft, ist das legal, aber nicht egal. Denn der fragliche Händler Frank T. war Mitglied bei Nordkreuz, er hatte in einem Text an alle Mitglieder konspiratives Verhalten zur Maxime erhoben, nach seinem Ausstieg aus der Gruppe blieb er ihr als Unterstützer verbunden. Mehrere Mitglieder kamen auf seinen Schießplatz zum Trainieren, er verkaufte ihnen Waffen und Munition, manche wirkten in einer Prüfungskommission mit. Marko G. engagierte er sogar als Trainer, auch noch, als die Terrorvorwürfe gegen Nordkreuz bekannt geworden waren und die gestohlene Munition bei Marko G. gefunden wurde – genehmigt war die Nebenbeschäftigung nicht.

Der Waffenhändler distanzierte sich nicht von Nordkreuz und Lorenz Caffier so lange nicht vom Waffenhändler, bis im Frühsommer Frank T. selbst in den Blick der Ermittler:innen aus Mecklenburg-Vorpommern geriet und fortan intern als rechtsextrem galt. Aber zur Privatwaffe schwieg Caffier weiter.

Das Besondere an dem Waffenhändler und seinem Schießplatz ist: Dort trainierten nicht nur zivile Sportschützen, sondern auch Spezialkräfte der Polizei und Bundeswehreinheiten aus fast ganz Deutschland. Einmal im Jahr fungierte Lorenz Caffier als Schirmherr für einen Schießworkshop, zu dem Teilnehmer:innen sogar aus den USA anreisten. Der Workshop wurde vom LKA mitveranstaltet. Unsere Recherchen legen nahe, dass Marko G. auf dem Platz an große Teile seiner Munition gelangte.

Auf unsere Frage nach dem Waffenkauf erhalten wir vom Innenministerium Informationen, nach denen wir nicht gefragt hatten. Auf Nachfrage gibt es gar keine Antwort mehr. Im Herbst dann kommt auf erneute Nachfrage die Information: Der Innenminister habe keine Dienstwaffe erworben.

Aber eine private Waffe? Wieder keine Antwort.

Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes am 12. November 2020 gibt es die Gelegenheit, Lorenz Caffier diese Frage erneut zu stellen: "Haben Sie eine Waffe bei dem früheren Nordkreuz-Mitglied Frank T. gekauft?"

Antwort: Das sei seine Privatsache. Und: “Wissen Sie, Privatbereich bleibt Privatbereich. Auch in Zukunft.“

Seit die Nordkreuz-Gruppe im Spätsommer 2017 und dann nach und nach das gesamte Hannibal-Netzwerk aufgeflogen ist, veränderte sich dessen Lesart. Anfangs sorgte der Begriff „Prepper“ für eine regelrechte Verharmlosung – so ließ sich ein Staatssekretär des Verteidigungsministeriums zu dem Vergleich hinreißen, seine Großmutter würde auch Vorräte vorhalten und damit ja gewissermaßen auch preppen. Der Chef des MAD, der Geheimdienst der Bundeswehr, sprach noch im November 2018 davon, dass es kein gewaltbereites Netzwerk von Rechtsextremisten in der Bundeswehr gebe und räumte zuletzt ein, dass sich sehr wohl entsprechende rechtsextreme „Netzwerke und Strukturen“ finden ließen. Wenige Monate darauf wurde er in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 

Das Geheimdienstgremium im Bundestag drängte als erste parlamentarische Institution auf eine umfassende Aufklärung rechtsextremistischer Tendenzen in Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr. Nach zweijähriger Untersuchung werden in einem Berichtsentwurf in Zusammenhang mit Nordkreuz „rechtsextreme Siedlungspläne“ beschrieben und bei Hannibal, dem Netzwerkgründer, rechtsextreme Verdachtsmomente festgestellt. Es hat lange drei Jahre gedauert, bis die Sicherheitsbehörden weitgehend unisono das Netzwerk aus Polizisten, Soldaten und anderen Sicherheitskräften als Problem sehen.

Lorenz Caffier hält seinen Bezug zu einem Mann aus diesem rechtsextremen Netzwerk trotzdem für eine Privatsache. Die Empörung darüber ist so groß, dass er den Kauf der Waffe einen Tag nach der Pressekonferenz bestätigt. Und die Woche darauf von seinem Amt zurücktritt.

Caffiers langjähriger Vertrauter, Innenstaatssekretär Thomas Lenz (CDU), bleibt vorerst im Amt, auch unter dem neuen Minister. Und mit ihm scheint auch das Problem zu bleiben, dass die Aufklärung in Sachen rechtsextremer Polizisten zwar immer mal wieder betont wird, aber nicht wirklich passiert. Lenz wiederholt nur immer wieder, dass es lange keine Erkenntnisse über T.s rechtsextreme Gesinnung gegeben habe. Unsere Nachfragen kontert er mit “Alles Quatsch“ und „das ist dummes Zeug“. Lenz verweist auch gerne auf die Aufklärung durch die Justiz.

Doch Gerichtssäle sind nicht der finale Ort für gesellschaftliche Aufklärung. Gegen zwei Nordkreuz-Mitglieder ermittelt nach wie vor die Bundesanwaltschaft, eine Anklage ist nicht in Sicht. Und im Prozess in Schwerin waren Marko G.s Vernetzung, die Vorbereitung auf den Tag X und seine rechtsextreme Einstellung nur am Rande Thema.

Bei der Urteilsverkündung schließlich fand der Richter sogar lobende Worte dafür, dass Marko G. nach der ersten Durchsuchung sich „in einem deutlich geringerem Umfang als zuvor“ illegal Behördenmunition beschafft habe. Der Richter wörtlich: „Das ging schon in die richtige Richtung.“

 

Weitere Recherchen zum Thema Nordkreuz und Marko G.:

https://taz.de/!t5611278/